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Bioenergie und nachwachsende Rohstoffe

Es ist nicht zu übersehen. Die Anzahl der Biogasanlagen in Deutschland wächst unaufhaltsam, so auch im Landkreis Harburg und in der SG Tostedt. In unserer Region steht eine große Anlage auf dem Trelder Berg, kleinere Fermenter findet man in Heidenau, Vaerloh und Wümmegrund, und für Heidenau und Wümmegrund gibt es konkrete Ausbaupläne für eine großtechnische Bioenergie-Erzeugung.
Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen stellt inzwischen eine echte Einkommensalternative für Landwirte dar, mit der sie aufgrund der staatlichen Subventionen höhere Gewinne erzielen können als mit dem Anbau von Nahrungsmitteln oder Futtermitteln für die Fleisch- bzw. Milchproduktion.
In den Bioenergieanlagen werden organische Stoffe (Biomasse) mit Hilfe spezieller Mikroorganismen in großen Behältern (Fermentern) vergoren, wobei in erster Linie Methan entsteht. Das Methan, das auch Hauptbestandteil des Erdgases ist, wird dann z.B. in einem Blockheizkraftwerk verbrannt, sodass über Turbinen Strom erzeugt werden kann. Zur Erhöhung der Effizienz wird die entstehende Abwärme für Heizungszwecke verwendet. So können die Anlagen selbst beheizt werden oder in der Nähe befindliche Wirtschaftsbetriebe, Wohnungen, Treibhäuser, Schwimmbäder u.a. Anlagen.
Grundsätzlich ist die Bioenergie-Erzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen zu begrüßen, da hierdurch die Reserven an fossilen Energieträgern (Kohle, Erdgas, Erdöl) geschont werden und die Produktion von Treibhaus-gasen und damit die Auswirkungen auf den Klimawandel relativ gering sind. Zudem kann auf die problematische Kernenergie verzichtet werden.Allerdings müssen die Bakterien in den Fermentern ununterbrochen gefüttert werden. Dies geschieht mit dem Gärsubstrat, kleingehäckselten Feldfrüchten, in erster Linie Mais. Außerdem werden verschiedene Getreidesorten, aber auch Sonnenblumen, Rüben, Hirse und starkwüchsige Gräser verwendet. Und hier nun liegen die Probleme und Nachteile, die mit der Bioenergie-Erzeugung verbunden sind.
Die Produktion der Biomasse erfordert erhebliche landwirtschaftliche Flächen, die allerdings in Deutschland begrenzt sind. Zudem fallen diese Flächen für die Produktion herkömmlicher landwirtschaftlicher Produkte, Lebens- und Futtermittel, aus. Die Folgen hiervon sind ein Steigen der Bodenpreise, eine Intensivierung des Anbaus, Grünlandumbruch sowie die Inanspruchnahme von ehemaligen Brachflächen.Um diese Auswirkungen ein wenig zu mildern, ist daher die (Mit-)Verwendung von Reststoffen aus der Landwirtschaft (z.B. Gülle, Stroh), der Landschaftspflege (z.B. Mähgut) und der Agrarindustrie als Gärsubstrat äußerst sinnvoll und unbedingt zu berücksichtigen.
Die aktuelle Förderungspraxis führt jedoch zu immer stärkerem konventionellen Maisanbau ohne Fruchtwechsel und mit hohem Pestizid- und Düngereinsatz. Hierdurch wird die Gesamtbilanz der Bioenergie-Produktion insbesondere im Hinblick auf den Klimaeffekt, die Artenvielfalt und das Landschaftsbild erheblich verschlechtert.
Für den AKN stellt sich die Art und Weise des Anbaus der nachwachsenden Rohstoffe als entscheidendes Problem dar. Als Gärsubstrat wird in unserer Region vorwiegend Mais angebaut und die Auswirkungen des konventionellen Maisanbaus auf Natur und Landschaft sind seit langem bekannt und nicht zu übersehen. Es entstehen Agrarwüsten, große intensiv betriebene Monokulturen, die mit chemischen Mitteln (Pestiziden, Herbiziden, Mineraldüngern) und organischen Stoffen (Gülle) so bearbeitet werden, dass zwar der Mais gut wächst, die Flächen aber als Lebensraum für Wildpflanzen und Tiere verloren sind. Zudem werden Boden und Gewässer in immer stärkerem Maße durch Umweltgifte belastet.
Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die landwirtschaftliche Intensivnutzung die Hauptursache für die Gefährdung und schließlich Zerstörung vieler Biotope und damit der dort lebenden Pflanzen und Tiere darstellt. Hiervon sind nicht nur seltene Biotoptypen und Arten betroffen, sondern auch solche, die häufig waren und den Charakter unserer Natur und Landschaft prägten. Man denke nur an Feuchtwiesen und Buckelweiden, Ackerrandstreifen mit vielen Wildkräutern und an die Vögel der Agrarlandschaft, denen es zunehmend schlecht geht.
Die Ausweitung der Intensivnutzung durch den Anbau von Energiepflanzen wird dieses Problem massiv verstärken. So ist bereits jetzt zu beobachten, dass immer mehr Brachflächen und extensiv bewirtschaftete Grünflächen - wertvolle Biotope und Rückzugsräume für die Pflanzen und Tiere der Agrarlandschaft- in die Intensivnutzung übergehen, ja sogar weiteres Grünland in Ackerland umgewandelt wird. Ein Grünlandumbruch ist zwar seit Oktober 2009 durch die EU grundsätzlich untersagt, jedoch haben viele Landwirte vor diesem Termin noch schnell neues Ackerland geschaffen, ja wir haben sogar den Eindruck, dass auch danach noch Grünland umgebrochen wurde.
Die aktuellen Entwicklungen sind mit der so oft geforderten Nachhaltigkeit nicht zu vereinbaren - Biodiversität und Artenvielfalt sind massiv gefährdet, obwohl sie politisches Ziel der EU und des Bundes sind.
Die folgenden Forderungen des AKN stammen nicht nur von verbohrten, realitätsfremden Naturschützern; sie finden sich in ähnlicher Form in EU-Richtlinien und in Verlautbarungen der Bundesregierung!
1. Oberstes Gebot muss es sein, Energie zu sparen, und das sowohl beim Wohnen als auch beim Verkehr,
2. Die Entwicklung der Bioenergienutzung und der damit verbundene Anbau von Energiepflanzen muss mit Augenmaß gelenkt werden – hier sind die staatlichen Stellen auf der Ebene der Kreise, Länder und des Bundes in der Verantwortung – Wildwuchs wäre verhängnisvoll!
3. Die Standortwahl für Biogasanlagen und der damit verbundenen Anbauflächen muss mit äußerster Sorgfalt und unter Schonung ökologisch wertvoller Flächen bzw. bedeutender Naturräume erfolgen.
4. Es darf keinen weiteren Grünlandumbruch geben – Zuwiderhandlungen müssen sanktioniert werden.
5. Es muss ein Fruchtwechsel auf den Anbauflächen festgelegt werden, wobei Brachephasen einzubeziehen sind.
6. Es dürfen keine neuen fremdländischen Nutzpflanzen angebaut werden, da dies zu einer weiteren Zerstörung heimischer Biozönosen führen würde.
7. Die Mitnutzung von landwirtschaftlichen Reststoffen für die Biogaserzeugung (Stroh, alte Heuballen, Mähgut aus der Landschaftspflege u.a.) ist zwingend festzulegen.
8. Die Genehmigungsbehörden müssen auf eine ausreichende Kompensation der erfolgenden Intensivierung achten, z.B. durch Extensivierungsmaßnahmen auf ausreichend großen Flächen.
9. Es müssen intensivere Anstrengungen unternommen werden, ökologisch wertvolle Flächen und Räume zu erhalten. Hierzu ist ein Flächenmanagement durch staatliche Stellen ebenso erforderlich wie ein Vertragsnaturschutz. Verträge mit und Zahlungen an Landwirte dienen zur Erhaltung einer strukturierten, extensiv bewirtschafteten Agrarlandschaft, in der Pflanzen und Tiere einen ausreichenden Lebensraum finden und Menschen Natur erleben können.
10. Die politischen Entscheidungsträger müssen endlich wirksame Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität und Artenvielfalt ergreifen, so wie es von der EU gefordert wird. Lippenbekenntnisse reichen nicht!


Zur Biogasanlage gehören große Siloplatten als Lagerflächen für das Gärsubstrat


Artenvielfalt ausgeschlossen: hoch aufgewachsene Maispflanzen bzw.

Sonnenblumen - der Boden frei von Kräutern und Bodentieren
Maisanbaufläche in Deutschland


Bestandstrends ausgewählter Arten der Agrarlandschaft